Buchstabensuppe
Notfalltraining
Ich bin unglaublich stolz auf unser Kreißsaal-Team. Seit einem halben Jahr haben wir ein monatlichesSimulationstraining etabliert.Eigentlich wollte ich so etwas schon lange haben. Nun ist es endlich möglich geworden. Das ist unserem jungen und motivierten Team von Hebammen zu verdanken.
Wir trainieren verschiedene Arten von Kreißsaal-Notfällen, ganz realistisch, während des laufenden
Betriebs im Kreißsaal, mit dem gerade vor Ort anwesenden Fahrdienst-Team, mit unserer tagtäglichen Ausrüstung und in unseren normalen Räumlichkeiten. Das Training dauert 15 bis 20 Minuten.
Danach folgt ein freundliches Debriefing, in dem wir gemeinsam besprechen, was gut gelaufen ist und
was nicht, und überlegen, wie wir in ähnlichen Notfällen in der Realität handeln können, um die Sicherheit unserer Patientinnen und deren Kinder zu erhöhen.
Das Team ist sehr zufrieden, die Resonanz war durchweg positiv. Wir haben bereits mehrere
Verbesserungen in unserem Notfallmanagement umgesetzt. Nach den Erfahrungen, die wir während der
Simulationen gesammelt hatten, kamen viele Ideen aus dem Team.
Letzte Woche haben wir etwas ganz Banales trainiert: den plötzlichen Kreislaufstillstand nach der Geburt.
Eigentlich ist es nichts anderes, als jedem von uns im Supermarkt, an der Bushaltestelle, auf der Straße
oder im Zug begegnen könnte. Ein Mensch wird plötzlich bewusstlos. Was mache ich?
Wie stelle ich fest, ob er noch lebt? So etwas kann gut trainiert werden.
Buchstabensalat
Während des Trainings ist mir etwas Unglaubliches aufgefallen.Als Anästhesistin und Notärztin muss ich regelmäßig bestimmte Kurse absolvieren.Wir nennen sie „Buchstabenkurse”, weil es viele lustige Abkürzungen mit Großbuchstaben gibt.ALS steht für „Advanced Life Support“ und ist ein Reanimationskurs für Erwachsene. Alle drei Jahre muss ich ihn wiederholen, er dauert zwei Tage.
EPLS (Europäischer Pädiatrischer Reanimationskurs) für Kinder, ebenfalls alle drei Jahre zu wiederholen, Kursdauer zwei Tage.
AMLS (Acute Medical Life Support) ist die Therapie von verschiedenen internistischen Notfällen, von der Thyreotoxischen Krise bis zur Meningitis. Dieser Kurs muss alle vier Jahre wiederholt werden und dauert zwei Tage.
PHTLS (PreHospital Trauma Life Support): Notfallversorgung von schwer traumatisierten Patienten, alle drei Jahre zu wiederholen, Kursdauer zwei Tage.
CRM-Kurs (dauert ganze 5 Tage): Crisis Resource Management – wie optimiere ich meine Ressourcen während eines Notfalls, wie kommuniziere ich, wie bin ich ein guter Teamspieler.
Und last but not least: das jährliche Teamtraining. Hahaha - Es hat keine Buchstaben bekommen. Jedes Jahr trainieren wir die Notfallversorgung zu verschiedenen Themen. Kursdauer: 1 Tag.
Es sind schon ganz viele Buchstaben, oder?
Hebammen haben einen sehr wichtigen Beruf und tragen die Verantwortung für zwei Menschenleben. Sie haben mit vielen Notfällen in ihrem Alltag zu tun: Cito-Sectio, Präeklampsie, Eklampsie, peripartale Blutungen, Schulterdystokie, Nabelschnurvorfall und Fruchtwasserembolie sind nur einige der kreißsaalspezifischen Notfälle. Und dann sind da noch alle „normalen“ Notfälle, die unseren Patientinnen passieren könnten. Die Liste ist endlos.
Bei uns im DRK Westend müssen die Hebammen alle zwei Jahre einen BLS-Kurs (Basic Life Support) absolvieren.
https://www.drk-kliniken-berlin.de/zentrum-fuer-notfallmedizinische-simulation/kursangebote/ basic-life-support
In diesem Kurs, der zwei Stunden dauert, werden vier Fähigkeiten vermittelt: Erkennung eines Kreislaufstillstands, Herzdruckmassage, Einsatz eines automatischen Defibrillators und Masken-Beutel-Beatmung.
Zusätzlich trainieren unsere Hebammen einmal pro Jahr, wie eine Schulterdystokie gelöst wird.
Decken diese Kurse alle Notfälle ab, die im Kreißsaal passieren könnten? Bereiten sie die Hebammen auf alle möglichen Stresssituationen vor?
In den 70er Jahren erschütterten mehrere sehr schwere Flugkatastrophen mit Flugzeugkollisionen oder -abstürzen die Welt und kosteten vielen Menschen das Leben. In all diesen Katastrophen spielte menschliches Versagen eine große Rolle. Wir nennen es „Faktor Mensch”. So wurde das Crew Resource Management (CRM) entwickelt. Das Ziel von CRM ist, die Zusammenarbeit und Kommunikation im Alltag und besonders in Notfällen zu verbessern.
Aus der Luftfahrt gelangte CRM (zunächst als Critical Resource Management bezeichnet) in alle Bereiche, in denen Teamarbeit und Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind.Die Fähigkeit, gut zu kommunizieren und als Team Probleme zu lösen, ist nicht angeboren. Aber sie können trainiert werden. https://inpass.de/de-de/crew-resource-management-crm/crm-seminare/
Der Kreißsaal ist ein Arbeitsplatz, an dem sechs Berufsgruppen zusammenarbeiten müssen und nur gemeinsam Notfälle managen können. Er gehört definitiv zu den Bereichen, in denen exzellentes Crew Resource Management gelebt und geübt werden muss.
Sollen Hebammen, Geburtshelfer, Anästhesisten, Anästhesieschwestern, Neonatologen und Kinderkrankenschwestern wirklich effektiv zusammen für das Leben von zwei Menschen kämpfen, ohne ein effektives Team zu sein?Leider sind solche Trainings überhaupt kein Teil unserer Arbeitskultur. Vielleicht können wir ein anderes Mal darüber reden.
Und was ist mit den Geburtshelfern im Kreißsaal? Sind sie für Notfälle gut vorbereitet?In unserer Klinik ist keiner der Geburtshelfer zu einem einzigen „Buchstabenkurs“ verpflichtet, nicht einmal zu BLS. Gar keinen!
Bei uns im DRK Westend müssen die Hebammen alle zwei Jahre einen BLS-Kurs (Basic Life Support) absolvieren.
https://www.drk-kliniken-berlin.de/zentrum-fuer-notfallmedizinische-simulation/kursangebote/ basic-life-support
In diesem Kurs, der zwei Stunden dauert, werden vier Fähigkeiten vermittelt: Erkennung eines Kreislaufstillstands, Herzdruckmassage, Einsatz eines automatischen Defibrillators und Masken-Beutel-Beatmung.
Zusätzlich trainieren unsere Hebammen einmal pro Jahr, wie eine Schulterdystokie gelöst wird.
Decken diese Kurse alle Notfälle ab, die im Kreißsaal passieren könnten? Bereiten sie die Hebammen auf alle möglichen Stresssituationen vor?
Viele (Flug)Katastrophen
In den 70er Jahren erschütterten mehrere sehr schwere Flugkatastrophen mit Flugzeugkollisionen oder -abstürzen die Welt und kosteten vielen Menschen das Leben. In all diesen Katastrophen spielte menschliches Versagen eine große Rolle. Wir nennen es „Faktor Mensch”. So wurde das Crew Resource Management (CRM) entwickelt. Das Ziel von CRM ist, die Zusammenarbeit und Kommunikation im Alltag und besonders in Notfällen zu verbessern.
Aus der Luftfahrt gelangte CRM (zunächst als Critical Resource Management bezeichnet) in alle Bereiche, in denen Teamarbeit und Sicherheit von entscheidender Bedeutung sind.Die Fähigkeit, gut zu kommunizieren und als Team Probleme zu lösen, ist nicht angeboren. Aber sie können trainiert werden. https://inpass.de/de-de/crew-resource-management-crm/crm-seminare/
Der Kreißsaal ist ein Arbeitsplatz, an dem sechs Berufsgruppen zusammenarbeiten müssen und nur gemeinsam Notfälle managen können. Er gehört definitiv zu den Bereichen, in denen exzellentes Crew Resource Management gelebt und geübt werden muss.
Sollen Hebammen, Geburtshelfer, Anästhesisten, Anästhesieschwestern, Neonatologen und Kinderkrankenschwestern wirklich effektiv zusammen für das Leben von zwei Menschen kämpfen, ohne ein effektives Team zu sein?Leider sind solche Trainings überhaupt kein Teil unserer Arbeitskultur. Vielleicht können wir ein anderes Mal darüber reden.
Und was ist mit den Geburtshelfern im Kreißsaal? Sind sie für Notfälle gut vorbereitet?In unserer Klinik ist keiner der Geburtshelfer zu einem einzigen „Buchstabenkurs“ verpflichtet, nicht einmal zu BLS. Gar keinen!
STOP! Intensivstation
Könnte es sein, dass Gynäkologen all das im Rahmen ihrer Weiterbildung gut lernen? Interdisziplinäre Arbeit, Versorgung von schwer kranken Patienten.Die Gynäkologie gehört mit der Allgemeinchirurgie und der Orthopädie zu den sogenannten „großen“ chirurgischen Disziplinen. Gynäkologen (korrekt bezeichnet sind sie Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe) führen große Bauchoperationen durch (eine davon ist der Kaiserschnitt), kümmern sich um sehr komplexe und schwerkranke onkologische Patientinnen, betreuen Schwangere mit Präeklampsie und anderen Begleiterkrankungen und operieren bei komplexen Plazentaimplantationsstörungen.
Alle Allgemeinchirurgen und Orthopäden müssen auf ihrem mehrjährigen Weg zum Facharzt mindestens sechs Monate auf einer Intensivstation arbeiten. Dort lernen die jungen Ärzte eine effektive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen und Berufsgruppen sowie die Versorgung (auch die Notfallversorgung) von schwer kranken Patienten im Team, also Teamarbeit.
In der gynäkologischen Facharztweiterbildung ist eine solche Zeit auf der Intensivstation laut der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer nicht vorgesehen.
Es scheint mir sinnvoll, dass Geburtshelfer und Hebammen etwas mehr von der „Buchstabensuppe“ auf ihren Tellern haben.
Daran arbeiten wir aktuell in unserem kleinen Kreißsaal.
Aber könnte es auch Aufgabe der Ärztekammer und des Deutschen Hebammenverbandes sein?
Alle Allgemeinchirurgen und Orthopäden müssen auf ihrem mehrjährigen Weg zum Facharzt mindestens sechs Monate auf einer Intensivstation arbeiten. Dort lernen die jungen Ärzte eine effektive Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachrichtungen und Berufsgruppen sowie die Versorgung (auch die Notfallversorgung) von schwer kranken Patienten im Team, also Teamarbeit.
In der gynäkologischen Facharztweiterbildung ist eine solche Zeit auf der Intensivstation laut der Weiterbildungsordnung der Ärztekammer nicht vorgesehen.
Es scheint mir sinnvoll, dass Geburtshelfer und Hebammen etwas mehr von der „Buchstabensuppe“ auf ihren Tellern haben.
Daran arbeiten wir aktuell in unserem kleinen Kreißsaal.
Aber könnte es auch Aufgabe der Ärztekammer und des Deutschen Hebammenverbandes sein?
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