19 Euro Schmerzensgeld
Leben retten für 30 Euro die Stunde
Sie ist es wahrscheinlich ganz klar: Ihr Leben ist unendlich viel wert.
Für mich ist es auch ganz klar: Ich bekomme 30 Euro die Stunde, wenn ich auf der Intensivstation arbeite, wo ich jeden Tag schwer kranke, lebensbedrohlich erkrankte Patienten behandle. Übrigens meine Pflegekräfte auf der Intensivstation, die viel schwierigere Job haben, bekommen noch weniger Geld. Keine Wunder, dass wir keine Pflegekräfte mehr haben.
Dringende Lufttransport
Neulich sind wir eine querschnittgelähmte Patientin von Berlin nach Frankfurt am Main geflogen. Das war ein heimatnaher Transport. Das heißt, der Patient lag in Berlin im Krankenhaus, wollte aber seinen langen Krankenhausaufenthalt in der Nähe seiner Familie verbringen. Und die kam aus Frankfurt.
Es war eine Winterwoche und das Wetter war sehr schlecht. Unsere Piloten überlegten und planten, wie wir es besser machen könnten. Am Tag der Verlegung war das Wetter schlecht, aber noch erträglich. In den nächsten Tagen sollte das Wetter noch schlechter werden. Und der Patient musste so schnell wie möglich transportiert werden. Als wir über die Mittelgebirge geflogen sind, war das Wetter so schlecht, dass wir sehr tief geflogen sind. Direkt über den Bäumen. Die Wolken waren so dicht über den Bergen, dass wir ständig nach links und rechts schauen mussten, um die nächste Wolkenlücke zu finden, in die wir hineinschlüpfen konnten.
Einen langen Tag für 25 Euro
Tiefflüge sind sehr gefährlich und stellen hohe Anforderungen an die Piloten. Jeder Funkmast oder jede Hochspannungsleitung, die man übersieht, kann das Letzte sein, was man sieht. Während die Piloten mit höchster Aufmerksamkeit und Professionalität den Flug steuerten und unseren Intensivtransporthubschrauber sicher ans Ziel brachten, kümmerte ich mich um den Patienten. Ich beruhigte ihn, kontrollierte seine Vitalwerte. Ich passe die Medikamente entsprechend an, überwache die Beatmungsparameter und ändere gegebenenfalls die Einstellungen des Beatmungsgerätes.
Wie viel kostet es schmerzfrei zu sein?
Genug gefragt, wie viel kostet Ihre Leben.
Jetzt frage ich, wie viel es kostet, schmerzfrei zu sein.
Ich arbeite viel im Kreißsaal. Das sind meine 2 Lieblingsbereiche: Notfallrettung und geburtshilfliche Anästhesie.
Können wir uns noch eine vaginale Geburt leisten? Und es tut wirklich weh, ein Kind vaginal zu gebären (diejenigen, die es getan haben, werden mich verstehen. Ich habe es 6 Mal gemacht und weiß, wovon ich spreche).
Ich frage die Patientinnen vor der PDK immer, wie stark ihre Schmerzen sind.
Wir messen die Schmerzen auf einer Skala von 0 bis 10, wobei 0 überhaupt keine Schmerzen bedeutet und 10 die schlimmsten Schmerzen, die sie sich vorstellen können.
Die Antwort der Gebärenden ist oft: “12!”
Dann sage ich, dass wir uns beeilen müssen, und lege ihnen einen Schmerzkatheter, um ihre Schmerzen “in den Griff zu bekommen”.
19 Euro Schmerzensgeld
Die Periduralanästhesie ist übrigens der Goldstandard für die Schmerzlinderung bei der vaginalen Geburt.
Das DRG-System hat für jede standardisierte Operation oder Prozedur eine standardisierte Personalkostenvorgabe.
Und für eine PDK-Anlage bei einer Wöchnerin sind die Personalkosten für die Anästhesie 19 Euro!
Für eine PDK-Anlage benötigen wir bei uns eine Anästhesiepflegekraft und einen Arzt. Die gesamte Anlage mit Dosierung und Dokumentation dauert in der Regel 45 Minuten bis 1 Stunde.
Oft müssen wir die Patientinnen während der Geburt noch einmal besuchen, um ein sogenanntes “Top-up” über das PDK zu geben. Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Schmerzmittelmenge, um der zunehmenden Schmerzintensität während der Geburt entgegenzuwirken.
Nach der Geburt, meistens am nächsten Tag, besucht ein Anästhesist die Patientin noch einmal, um sich zu vergewissern, dass sie keine Beschwerden hat, dass die Wirkung der PDA vollständig abgeklungen ist, wir beantworten Fragen und geben Empfehlungen.
Ach ja, natürlich! Bevor wir die PDK legen, müssen wir die Patientinnen über die Risiken, Wirkungen und Nebenwirkungen sowie über den Ablauf aufklären. Fast ein Drittel unserer PDK-Patientinnen kommt schon während der Schwangerschaft in die Sprechstunde, um in Ruhe von einem Anästhesisten alles über einen PDK zur Geburt zu erfahren. Diese Gespräche sind sehr zeitintensiv und dauern oft 30-40 Minuten. Die Patientinnen bringen viele Fragen mit und wollen alle Risiken und Auswirkungen für sich und das Kind verstehen.
Wer kann für 19 Euro motiviert werden?
Patientinnen, und wie viel ist es ihnen wert, ihre unerträglichen Schmerzen während der Geburt zu lindern?
Liebe Partner:innen, und wie viel ist es Ihnen wert, dass Ihre Partnerin Ihr gemeinsames Kind nicht unter unerträglichen Schmerzen zur Welt bringt?
Das DRG-System hat darauf eine klare Antwort: 19 Euro für alles!
Erwarten Sie noch hoch motivierte und kompetente Ärzte, wenn Sie das nächste Mal in Lebensgefahr schweben oder unter starken Schmerzen gebären?
Solche Ärzte werden Sie bald vergeblich suchen.
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