Million, million, million scharlachroten Rosen


Milion, Million, Million Scharlachrote Rosen
Aus dem Fenster siehst du. 

Wer verliebt ist und ernsthaft

Sein Leben für Dich in Blumen verwandeln.

Миллион, миллион, миллион алых роз

Из окна, из окна, из окна видишь ты.

Кто влюблён, кто влюблён, кто влюблён и всерьёз,

Свою жизнь для тебя превратит в цветы.

Alla Pugacheva, Album 1982 Lyrik A.Vosnesenski

https://youtu.be/tXfQxidhVEg?si=QN2gkDx9TCYJDEiV

Blumen zu Hause

In unserer Tradition bringt der Ehemann seiner Frau am Freitagabend einen Blumenstrauß. Dies ist ein Ausdruck der Dankbarkeit für alles, was die Ehefrau für die Familie tut. Jede Woche, alle Wochen im Jahr, alle Jahre nach der Hochzeit.

Mein Mann bringt mir unterschiedliche Blumen, je nach Saison. Aber häufig sind es Rosen. Die Blumen stehen sehr lang bei uns, direkt in der Mitte des Wohnzimmers. Jeden Tag schaue ich sie mir an und freue mich.

Meine Freundin Lea bekommt von ihrem Mann jede Woche einen großen Strauß wunderschöner, dunkler Rosen. Nur Rosen, keine anderen Blumen.

Ich liebe Rosen! Wenn sie schön duften … was für wunderschöne Blumen!

Sie wecken in mir Gefühle von Zuhause, Liebe, Dankbarkeit und Anerkennung.

Rote Rose vor die Tür

Gestern bin ich zur Arbeit gekommen. Unser Tag im Kreißsaal beginnt früh. Ich stehe kurz nach 5 Uhr auf, um pünktlich zu sein. Tag für Tag, Jahr für Jahr.

Doch gestern war ein besonderer Tag. Als ich zur Tür des Kreißsaals kam, lag neben der Tür eine wunderschöne, scharlachrote Rose! Was für eine prächtige Blume! Ein Lächeln erschien auf meinem Gesicht. Ich gab den Eintrittscode ein und ging hinein.

„Jemand hat uns eine tolle Rose geschenkt!“, rief ich unserem Hebammenteam zu.

Nach meiner Begrüßung herrscht eine merkwürdige Stille. Ich merke, dass etwas nicht stimmt.

Eine Kollegin nahm mich zur Seite. „Hast du nichts über die Rosenrevolution gehört?“, fragt sie.

„Nein!“, antworte ich blauäugig.

Rosenrevolution

Die Rosenrevolution (https://de.wikipedia.org/wiki/Roses_Revolution) ist eine im Jahr 2011 in Spanien ins Leben gerufene internationale Bewegung, die gegen Respektlosigkeit und Gewalt in der Geburtshilfe protestiert. Betroffene Frauen legen vor Krankenhäusern und Kreißsälen, in denen sie während der Geburt ihrer Kinder Gewalt erfahren haben, Rosen und Botschaften für die betreffenden Ärzte und Hebammen ab. Diese Geste hilft den Frauen einerseits bei der Aufarbeitung ihrer mitunter traumatischen Erlebnisse. Andererseits sollen die Geburtshelfer für das Problem der Gewalt unter der Geburt sensibilisiert werden und ihre Routinen überdenken. Diese Bewusstseinsbildung soll zu einer Verbesserung des geburtshilflichen Gesundheitssystems führen.

Meine letze Dienst

Mein letzter Kreißsaaldienst hat wie immer um 12:30 Uhr begonnen. Zunächst habe ich die Pausenablösung für drei Kollegen in verschiedenen OP-Sälen übernommen, jeweils für eine halbe Stunde. So konnten die Kollegen ihr Mittagessen nehmen und sich etwas erholen.

Kurz nach 14 Uhr ging ich in den Kreißsaal. Dort findet die Sprechstunde für Schwangere mit Besonderheiten statt. Heute kamen zwei sehr komplexe Patientinnen zum anästhesiologischen Konsil. Eine von ihnen hatte eine Wirbelsäulen-OP. Sie möchte zur Geburt gerne eine PDA bekommen und hat gefragt, ob das möglich wäre. Ich muss ihren OP-Bericht anschauen, die CT- und MRT-Befunde lesen und anschließend ein Zweitmeinungsgespräch mit unserem Neurochirurgen führen. All dies muss verständlich in ihrer medizinischen Akte dokumentiert werden und die Patientin erhält eine ausführliche Aufklärung.

Die zweite Patientin hat eine Gerinnungsstörung. Ihr Körper produziert weniger Gerinnungsfaktoren. Diese sind notwendig, damit sich ein festes Blutgerinnsel bilden kann. Die Patientin hat ein nicht unerhebliches Risiko, während der Geburt zu verbluten. Wir besprechen alles, was wir planen, welche Medikamente sie bekommt, wie der Ablauf ist, welche Risiken es gibt und wie wir diese minimieren werden. Hier muss auch die Absprache mit dem Geburtshelfer sehr genau erfolgen.

Beide Gespräche nehmen viel Zeit in Anspruch. Es ist 16 Uhr und ich übernehme den Kreißsaal-Dienst von meinem Kollegen, der von 7:30 bis 16 Uhr Dienst hatte.

10 Frauen und ihre 10 Kinder

Nun drehen wir die Uhr schnell vor. Es ist 7:30 Uhr am nächsten Tag. Während des Dienstes haben wir drei eilige Kaiserschnitte durchgeführt. Diese Kinder hätten ohne Kaiserschnitt nicht oder nicht gesund und heil geboren werden können. Außerdem habe ich fünf PDA zur Schmerzlinderung unter der Geburt gesetzt. Eine davon war sehr anspruchsvoll. Außerdem haben wir bei einer Frau eine starke Blutung nach der Geburt gestoppt; ohne diese Intervention wäre sie an Blutverlust gestorben.

Bei einer anderen Frau war das Kind sehr groß und sie erlitt einen Dammriss. Er musste unter Betäubung genäht werden. Ich habe mich zweimal ins Bett gelegt, aber jedes Mal klingelte mein Diensttelefon nach zehn Minuten wieder. Um 7:30 Uhr war ich vor Müdigkeit kaum noch ansprechbar, musste aber irgendwie noch nach Hause kommen.

Normale Wahnsinn

Es war ein ziemlich normaler Kreißsaaldienst in unserer Klinik. Ich ging nach Hause. Ich war hundemüde. Bevor ich angefangen habe, Kreißsaaldienste zu machen, wusste ich gar nicht, dass man so müde sein kann. Jetzt weiß ich es und habe mich damit abgefunden. Ich arbeite gerne im Kreißsaal und liebe meine Arbeit. Wenn ich zur Arbeit komme, weiß ich, wie es abläuft, und ich mache es bewusst weiter. Es ist meine Entscheidung, diese Dienste zu übernehmen.

Entscheidung

Die Frauen, die ihre Kinder zur Welt bringen, haben sich bewusst für eine Geburt entschieden. Und Geburt bedeutet Schmerz und Blut, Schreien vor Schmerzen und Tränen vor Freude, mit all ihren Unberechenbarkeiten und Unplanbarkeiten.

In 20 Stunden habe ich 10 Frauen geholfen und dabei mindestens drei Kinderleben und ein Frauenleben gerettet. Ich habe 24 Stunden nicht geschlafen und 12.000 Schritte zurückgelegt. Es war mir Wert. Ich habe nichts als Anerkennung und Dankbarkeit bekommen. Natürlich nicht, und das ist auch in Ordnung.

Im Vergleich zu anderen Medizinern bekommen Anästhesisten am wenigsten Ausdrücke von Dankbarkeit bei ihrer Arbeit. Wir alle, die diesen Beruf gewählt haben, wussten das und haben uns trotzdem dafür entschieden. Meine Freundin, die Internistin ist, kann sich vor Pralinen und teurem Wein kaum retten. Für uns ist allein die Möglichkeit, Leben zu retten, ein großes und absolut ausreichendes Geschenk.

Gestern haben zehn Frauen bei uns ihre Kinder zur Welt gebracht.

Heute lag eine scharlachrote Rose vor der Tür.

Wir sind alle Menschen und machen sicherlich Fehler.

Nicht jede Geburt verläuft ideal.

Beide Seite anhören

Ich musste in meinem Leben als Mutter viele Geschwisterstreite schlichten. Es gibt eine goldene Regel: Man sollte sich immer beide Seiten anhören. Denn manchmal klingen die Geschichten bei Streit und Meinungsverschiedenheiten von jeder Seite ganz anders. Ich werde keine Entscheidung treffen, wer Recht hat und wer Unrecht, bevor nicht beide Streitparteien miteinander gesprochen haben.

Eine rote Rose vor die Tür zu legen, um unsere Arbeit zu kritisieren, verletzt mich sehr. Ich fühle mich unmotiviert, nicht geschätzt und nicht verstanden.

Jede Frau möchte sehr persönlich behandelt werden, sich bei uns beschweren möchte sie aber anonym.

Heute ist wieder Freitag. Heute Abend bringt mein lieber Mann mir wieder Blumenstrauß. Ich hoffe, es sind nicht die Rosen.







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