Hat ihr Anästhesist Platz im Kreißsaal?


Wenn Ihr Anästhesist im Kreißsaal sein eigenes Büro hat, mit Tisch, Stuhl, Computer und 2 Stühlen für die Patientin und ihren Partner - dann braucht ihr meinen Blog-Artikel gar nicht mehr zu lesen. Klopft euch auf die Schulter. Bei euch läuft alles perfekt.

Wir haben knapp 2500 Geburten pro Jahr.

Dabei haben wir im Jahr 2023 knapp 900 Sectionen anästhesiologisch betreut, 950 PDK’s gelegt, dazu noch einige Patientinnen zur Vakuumextraktion und postnatale Eingriffe (ca. 200) begleitet. Und alle diese Patientinnen auch prämediziert.

Dazu kamen natürlich noch viele weitere Patientinnen mit “prophylaktischer” PDK-Aufklärung und die Beratung von Schwangeren mit komplexen Gerinnungsstörungen.

Wo haben wir all diese Gespräche geführt?
Als ich vor 14 Jahren als junge Assistenzärztin in unseren Kreißsaal kam, hatten die Hebammen ein winziges Büro mit 4 PC-Arbeitsplätzen. In diesem Raum wurde dokumentiert, telefoniert, Übergabe gemacht, gegessen, Kaffee getrunken, gelegentlich auf der Bank gelegen und geschlafen. Und das alles mit 4 Hebammen und 3 Ärztinnen pro Schicht + 1 Anästhesist.
Manchmal setzte sich der Anästhesist an den PC, um zu dokumentieren, und kurze Zeit später hieß es: “Wir brauchen diesen PC, könntest du woanders hingehen”.

Aber wohin sollte er gehen? Wir haben einen Anästhesisten 24/7 nur für den Kreißsaal.

Unser Kreißsaal ist baulich vom Zentral-OP und der Intensivstation getrennt, wo wir als Anästhesisten sozusagen “zu Hause” sind.

Wenn ich Patientinnen für einen Kaiserschnitt oder eine Epiduralanästhesie prämedizieren musste, habe ich das oft auf dem Flur gemacht. Dort haben wir ein paar Metallstühle, die am Boden festgeschraubt sind. Gemütlich!

Kennt ihr es: Eine PDA soll schnell gelegt werden. Ein Kaiserschnitt soll schnell gehen. Die Patientin blutet, wo zum Teufel ist unser Anästhesist?

Nachdem wir das alles gemacht haben: PDK sitzt gut, Sectio ist auch gut gelaufen, die Blutung ist gestoppt und die Patientin ist stabil. Wo sollen wir als Anästhesisten im Kreißsaal hin? Von uns wird erwartet, dass wir schnell da sind, unseren Job machen und am liebsten in dünner Luft verschwinden.

Noch vor wenigen Jahren war es für uns unvorstellbar, dass Anästhesisten bei der Übergabe zwischen Hebamme und Geburtshelfer dabei sind. Wir wurden immer gebeten, den Raum zu verlassen und das Betreten des Arbeitsraumes während der Übergabe war für Anästhesisten ein Tabu.

Das hat natürlich zu vielen “bösen Überraschungen” geführt: Eine Patientin mit Thrombozytopenie wollte plötzlich ein PDK. Wann war die letzte Thrombozytenkontrolle? Ah, das war gestern. Super, dann macht das bitte es jetzt nochmal und die Patientin soll bitte 1 Stunde warten, bis die Werte fertig sind. Hätte der Anästhesist das bei der Übergabe gewusst, hätte er früher eingreifen können.

Viele kennen ein berühmtes Werk von Friedrich Schiller (der übrigens auch Medizin studiert hat) "Die Verschwörung des Fiesco zu Genua"? Aus diesem Werk stammt der Satz: „Der Mohr hat sein Werk getan, der Mohr kann gehen“.

Genau so fühlte sich der geburtshilfliche Anästhesist jeden Tag.

Vor zwei Jahren gab es Gelder vom Staat und unser Kreißsaal wurde komplett umgebaut. Er ist größer, schöner, geräumiger geworden. Wer glaubt, dass die Anästhesie zu den Sitzungen der Baukommission eingeladen wurde, der irrt.

Glaubt ihr, dass die Anästhesie nach dem Umbau ein eigenes Sprechzimmer bekommen hat? Haha, natürlich nicht.

Die Geburtshelfer haben 2 Ultraschall-Sprechzimmer, die Hebammen haben 2 Räume für ihre Hebammensprechstunde, dazu kommen 2 Räume für ambulantes CTG und 1 Aufnahmezimmer. Nicht zu vergessen eine große Beleghebammenpraxis, die die meiste Zeit leer steht.

Auch das Hebammenbüro ist größer und schöner geworden. Dort stehen jetzt 6 Computer, ein großer Tisch und 2 Bänke.

Wer jetzt denkt, dass die Anästhesie einen eigenen Arbeitsplatz bekommen hat, der irrt.

Eines Tages komme ich in den Kreißsaal und sehe im Flur einen mobilen PC-Arbeitsplatz.



Selbstverständlich ohne Stuhl. Und im Flur. Aber immerhin! Ich war überglücklich.

Ich ging also zur Hebammen, strahlte vor Freude und wollte schon sagen, wie toll es ist, dass wir jetzt einen eigenen Computer haben. Unsere Hebammen begrüßen mich mit den Worten: "Wie gefällt dir unser neuer Arbeitsplatz für die Neonatologen?"

Na toll!

Vor ein paar Jahren haben wir endlich einen CA für die Geburtshilfe aus dem Uniklinikum bekommen. Dadurch wurde es erst mal möglich, dass die Anästhesie bei der Übergabe im Kreißsaal dabei sein darf. Ich war überglücklich!

Für unsere Sprechstunde im Kreißsaal nutzen wir seit einem Jahr einen Raum, wo die Anmeldung zu Geburt stattfindet. Allerdings nur nach 14:30 Uhr, da die Kollegin, die die Anmeldungen macht, dann nach Hause geht.

Im Raum steht ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen. Also einen für Schwangere und einen für die Anästhesie. Der Partner darf selbstverständlich stehen. Er ist eben nicht schwanger.

Ich habe deutlich gemacht, dass ein dritter Stuhl für die Sprechstunde erforderlich ist. Ich warte immernoch auf dem Stuhl. Manchmal nehmen wir einfach einen Stuhl aus der Hebammensprechstunde nebenan.

Vor zwei Wochen wurde eine neue Sprechstunde für Prämedikationen bei einer Sectio eingeführt. Von 8 bis 10 Uhr. Und jetzt rate mal, wo das ist!

Im CTG-Raum. Dort gibt es selbstverständlich eine Liege, sodass Schwangere mit all ihren Begleitpersonen zusammen sitzen können – quasi wie auf einer Bierbank. Das ist absolut genial! Wir brauchen keine extra Stühle dazu!


Computer? Wir leben doch in der Zeit der Digitalisierung!

Ihr könnt eure mobilen Computer doch sicher mitnehmen? Es ist kein Problem, dass es zwei Flure und drei Türen weit entfernt ist.

So sieht unser Alltag als geburtshilfliche Anästhesie im Kreißsaal aus: Wir dokumentieren im Stehen im Flur, sehen unsere Patientinnen im CTG-Raum, setzen uns manchmal im Arbeitszimmer der Hebamme, werden aber zügig gebeten, dort den PC freizumachen. Wenn es um den PDA geht, muss es innerhalb von 10 Minuten gehen. Das weiß doch jeder.

Und hat ihr Anästhesist Platz im Kreißsaal?

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